Von wegen kreativ Das digitale Sommersemester unter Pandemiebedingungen

Bild von Luisella Planeta Leoni auf Pixabay

Im Frühjahr dieses Jahres traf uns das Coronavirus mit voller Wucht. Ein erster Lockdown wurde verhängt, Hilfspakete geschnürt und gebannt verfolgten zahlreiche Menschen in immer aufwendiger erstellten Darstellungen, wie sich das Coronavirus über den gesamten Planeten verbreitete. Es war klar, dass unter diesen Bedingungen an einen regulären Studienalltag kaum zu denken ist. Auf einmal galt es Distanz zu wahren.

Studienalltag ist natürlich eine Verallgemeinerung. Es gibt Hochschulen wie die Fernuniversität Hagen, die reichlich Erfahrung mit dem Lehren aus der Distanz haben. Die meisten Hochschulen sind jedoch Präsenzhochschulen. Und deren digitale Plattformen waren meist eher Beiwerk als eine effektive Ergänzung. Studiengänge, die Laborarbeit oder andere manuelle Aktivitäten erfordern, können gar nicht aus der Distanz durchgeführt werden. Und die Studiengänge, die es theoretisch könnten, darunter meine Fächer Medien- und Politikwissenschaft, finden teils in so überfüllten Räumen statt, dass teils die Tür offen geblieben ist, damit Kommiliton:innen auf dem Flur hören können, was im Raum gesagt wird.

Es ist also mitnichten ein leichtes, einen ganzen Lehr (und auch Forschungsbetrieb) innerhalb kürzester Zeit zu digitalisieren. Es wurde ein Kreativsemester ausgerufen. Kreativ wurde es vor allem, wie Leistungsvorgaben erhöht und althergebrachte Formate möglichst unangetastet ins digitale gehievt wurden.

Vom analogen ins digitale

Vorab: Ich bin ein Fan „alter“ Lehrmethoden. Ich habe aus Vorlesungen bisher mehr mitgenommen als aus jeder kreativen dreiwöchigen Gruppenarbeit. Auf der anderen Seite lebe ich im Digitalen, ich programmiere, betreibe Server und habe halbwegs im Blick, welche Entwicklung das Web nimmt. Dieser Blick aus zwei Perspektiven machte es zugleich amüsant und ein bisschen quälend dabei zuzugucken, wie aus Vorlesungen Videos wurden und aus Seminaren Online-Diskussionen. Teils stammten die Vorlesungsvideos aus vorherigen Semestern. Auch ein Weg, um sich der zeitraubenden Lehrverpflichtung zu entziehen. Interaktivität in Vorlesungen? Selten. Andere Diskussionsformate als das offene Gespräch in Seminaren, was einfach nicht funktionieren kann, wenn viele mit digitaler Kommunikation unerfahrene Menschen mit mäßiger Ausstattung sich gegenseitig bei offenem Mikro ins Wort fallen? Kaum. Stattdessen eher Vorlesungen, die gar nicht gehalten werden und auf Literatur verwiesen wird und direkter oder indirekter Druck, sich selbst während der Veranstaltung filmen zu lassen.

Kreativität bei Leistungsüberprüfungen

Wenn es um Klausuren ging, zeigten einige Lehrende dagegen eine besondere Kreativität. Schnell wurde in internen Foren diskutiert, ob nicht während der gesamten Klausur eine Video- und Tonüberwachung der Studierenen stattfinden sollte. Das verwendete Prüfungssystem sperrt bereits in äußerst übergriffiger Weise das gesamte System und steht nicht für Linux zur Verfügung. Somit werden Studierende von Prüfungen ausgeschlossen. Als Linux-Nutzer bin ich es gewohnt, auf Probleme zu stoßen. Aber wenigsten an einer Hochschule hätte ich mehr erwartet. Einige Lehrende erkannten die offensichtliche Tatsache, dass Closed-Book-Klausuren unter diesen Bedingungen nicht durchführbar sind. Sie ersetzten die Prüfungsleistung durch Open-Book-Klausuren oder alternative Leistungsüberprüfungen. Das ist anzuerkennen.

Das zweite Digitalsemester

Jetzt beginnt das zweite Digitalsemester. Es war genug Zeit, alternative Lehrformen zu entwickeln. Darauf bin ich gespannt. Eins haben Studierende in jedem Fall schnell gelernt: Als erstes Mal das Mikro stumm stellen.